Im Wald ist sie daheim
Das Gastro-Gen im Blut und Bayerisch-Schwaben im Herzen
TVABS, F. Trykowski
Das Gastro-Gen im Blut und Bayerisch-Schwaben im Herzen
Wer Günzburg besucht, kommt am LEGOLAND® nicht vorbei. Das verspricht Spaß und Action. Doch wer es ruhig, naturnah und genussvoll liebt, sollte einen Abstecher zum Waldvogel machen – Gasthof, Biergarten & Hotel unter Regie von Stefanie Pröbstle und ihrem Bruder. Die Küche ist einzigartig, ehrlich und bringt auf den Tisch, was im eigenen Bio-Gemüsegarten wächst und gedeiht. Bevor Stefanie in den elterlichen Betrieb einstieg, schaute sie in Kochtöpfe auf der ganzen Welt. Heute liebt sie es, mit dem Rad nach Roggenburg zu fahren.
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Wirtshauskind nennt sie sich und ihre Augen leuchten dabei. Wer Stefanie Pröbstle begegnet, spürt sofort: Diese Frau lebt, was sie liebt. Heute prägt sie einen Ort, der genauso echt ist wie sie selbst. Der Waldvogel nahe Günzburg ist ein Kleinod mitten im Grünen. Für die gelernte Köchin ist er nicht nur ihr berufliches Paradies, es ist ihr Lebensmittelpunkt. Schon beim Ankommen weicht die Hektik des Alltags einer leisen Freude. Zwischen alten Obstbäumen, liebevoll restaurieren Gebäuden und dem biozertifizierten Garten wird klar: Hier wächst eine große Idee. Und alles, was auf diesem Boden gedeiht, landet in Stefanies kreativer Küche – mal als Buabaspitzle mit Wildkräutern, mal als hausgemachter Fichtennadel-Gin, mal als feines Quitten-Eis. Ob im Gastraum, im Biergarten, bei Tagungen oder Hochzeiten im Stadel: Was hier auf den Tisch kommt, hat seinen eigenen Charakter.
"Oft sind wir abends um halb acht noch barfuß durch den Biergarten gestapft und haben uns heimlich ein Eis stibitzt".
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"Wir haben dieses Gastro-Gen im Blut, ein Mix aus Improvisationstalent und guter Laune."
Nachhaltiges Restaurant samt Biergarten, Hotel als Lebensaufgabe und Kindheitsglück nahe Günzburg
Seitdem ihre kleinen Fingerchen über die Theke ragen, gehört Stefanie ins Wirtshaus. Gemeinsam mit ihren Brüdern hilft sie schon als Kind mit. Zu dieser Zeit leben hier noch drei Generationen unter einem Dach. „Heimat ist da, wo man sein darf, wie man ist. Ein Ort, an dem alles beginnt und alles wieder zusammenkommt“, meint sie ehrfurchtsvoll. Ihre Kindheit im Waldvogel war vor allem eins: frei. Wenn in der Küche Hochbetrieb herrscht, zieht das Mädchen über die Wiesen, versorgt liebevoll ihre Tiere und kennt jede Pfütze rund ums Haus. „Oft sind wir abends um halb acht noch barfuß durch den Biergarten gestapft und haben uns heimlich ein Eis stibitzt“, lacht sie. So war die Gastronomie für sie nie Pflicht, sondern Teil des Lebens, wo Arbeit Gemeinschaft bedeutet und alle mit anpacken. In den Ferien radelt ihr Vater mit den Kindern zur Donau oder zum See, auf dem Rückweg halten sie an den Erdbeerfeldern. Dieser süße Geschmack des ländlichen Sommers ist bis heute in ihrer Erinnerung. Als Stefanie später heiratet, zieht sie auf den Bauernhof ihres Mannes, nur wenige Orte weiter. Drei Kinder bekommt sie, doch das Radeln behält sie sich bei: „Wenn alle versorgt sind, beginnt meine heilige Zeit – der kurze Radweg zum Waldvogel“, schwärmt die Frühaufsteherin.
Ein zauberhafter Ort für besondere Hochzeiten, Firmenevents & Geburtstage
Der Ursprung des Waldvogels reicht zurück bis ins Jahr 1928, damals ein einfacher Aussiedlerhof mit Landwirtschaft. Als die nahe Autobahn gebaut wird, beginnt die Großmutter für die Arbeiter zu kochen. Nach dem Krieg entdecken die in Leipheim stationierten amerikanischen Soldaten das Wirtshaus für sich und machen es zu ihrem Ausflugslokal. Stefanies Vater übernimmt den Betrieb und baut das Angebot Schritt für Schritt aus. Aus dem ehemaligen Stall wird ein Festsaal, aus dem Garten ein Paradies für frische Salate, Gemüse und Kräuter, die ersten Hotelzimmer entstehen. Schließlich gelingt ihm ein großer Wurf: der Bau des Hochzeitsstadels mit Platz für bis zu 300 Gäste. Seither ist der Waldvogel weithin bekannt als Ort für große Feste. Doch nicht immer läuft alles glatt: „Die erste Stadelhochzeit fand ohne Stadel statt“, erinnert sich die 42-jährige schmunzelnd. „Der Boden war nicht rechtzeitig fertig, also feierten die Gäste spontan auf dem Sonnenblumenfeld. Wir haben dieses Gastro-Gen im Blut, ein Mix aus Improvisationstalent und guter Laune. Wir sorgen dafür, dass wir täglich etwas zu lachen haben.“
Kochen am Flughafen München und am Oktoberfest – später auch in Australien, Neuseeland und Afrika
Wer glaubt, Stefanie wäre dem Hof nie entwachsen, der irrt. Schon als junge Frau zieht es sie in die Ferne. In einem Biosphärenbetrieb macht sie ihre Ausbildung zur Köchin und wandert mit der damaligen Chefin über die Rhön, um Beeren und Kräuter zu bestimmen und einfache, ehrliche Gerichte daraus zu zaubern. Sie sammelt Erfahrung in anderen Betrieben – vom Catering auf der Wiesn in München über das Tagungshotel bis zur Flughafen-Gastronomie. Oft geht sie für saisonale Einsätze nach Österreich und in die Schweiz. Später absolviert sie die Hotelfachschule in Regensburg, macht ihren Betriebswirt, wagt sich bis in die 5-Sterne-Küche vor und reist sogar nach Australien, Neuseeland und Afrika, um in lokalen Betrieben und auf Farmen zu arbeiten. All diese Eindrücke, Denkweisen und Gerichte – sie fließen zurück in das, was heute den Waldvogel ausmacht.
Als die Nachfolge ansteht, erhält Stefanie eine warmherzige Bewerbung von ihren Eltern. Als Einstiegsprojekt steht in der elterlichen Offerte ein neu geplantes Tagungszentrum. 2008 sagt sie voller Vorfreude zu und kurz darauf steigt auch ihr Bruder Mathias mit ein. „Wir haben es so geregelt, dass der Betrieb zusammenbleibt, auch wenn einer wieder aufhören sollte. Uns war wichtig, die Werte unserer Eltern weiterzutragen“, erläutert sie. Heute ist der Waldvogel ein Ort für Familienfeiern und Betriebsfeste, ein Tagungshotel, ein Rückzugsort mitten im Grünen. Der Vater ist nach wie vor unverzichtbar – ob im hofeigenen Bioland-Gemüsegarten oder bei handwerklichen Einsätzen. „Mein wichtigster Mitarbeiter“, betont Stefanie. Die Mutter backt jeden Freitag über 30 Laibe Brot im Holzofen und ist die Seele der Familie, nicht nur für die Enkelkinder. Und wenn’s darauf ankommt, steht die ganze Familie zusammen.
Nachhaltigkeit wird im Waldvogel großgeschrieben – vom Strom aus der Photovoltaikanlage bis zum Bio-Waschmittel. „Wir vermeiden Verpackungen, bestellen etwa Fleisch vom Erzeuger in großen Gebinden und verarbeiten es bei Lieferung sofort. Wir verzichten auf Produkte mit langen Lieferwegen wie Bananen oder Kokos. Auch der Veganismus muss in unseren Augen regional funktionieren, da herrscht viel Entwicklungspotenzial.“
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Die bayerisch-schwäbische Küche ist vielfältig
Der neue Gestaltungsspielraum macht Stefanie umtriebig. Küche und Veranstaltungen sind ihre Spielwiesen, hier sprudeln die Ideen. Gleichzeitig muss alles rund laufen: von der Eröffnung des Biergartens über Dienstpläne und den Wareneinkauf bis zu Azubi-Schulungen. Und als wäre das nicht genug, hält sie auch noch Brezen-Backkurse oder den Gartentag ab. Zudem engagiert sie sich in der Prüfungskommission der IHK, bringt sich in der Vollversammlung ein oder bei den schwäbischen Kartoffelwirten. Die Gastronomin packt an, wo es nötig ist. Ihre Mitte aber findet sie in der Küche. Trotz aller Termine nimmt sie sich dort die Zeit, um Neues zu ersinnen: „Wenn 1000 Kürbisse gleichzeitig reif sind, muss der Speiseplan kreativ werden. Ich koche auch ein, was lange als altmodisch galt. Das braucht Zeit – genau deshalb bekommt es heute wieder die verdiente Bedeutung.“ Auch bei einer „Gurkenschwemme“ wird sie erfinderisch, beim ersten Bärlauch im Frühling zieht es sie mit den Azubis raus in den Wald. Für sie ist das alles kein Trend – es ist ihr bewusst gewählter, gerader Weg. Dazu passt ihr Lieblingsgericht: ein einfaches Käsbrot mit Senf und Zwiebeln.
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Donau und Günz, Ichenhausen und Stoffenried - und der Geist von Kloster Roggenburg
Auch außerhalb des Waldvogels sucht Stefanie die Nähe zur Natur. Die gemeinsamen Ausflüge mit ihren Kindern sind für sie Kraftquelle und Seelenfutter. Im Sommer paddeln sie auf der Günz, gehen ins Heimatmuseum Stoffenried, drücken im Schulmuseum Ichenhausen gemeinsam alte Schulbänke oder radeln zum Kloster Roggenburg. Wenn sie dafür den Stoffenrieder Forst durchqueren, legt sie an einer kleinen Hütte am Salzweiher gerne eine Pause ein. Auch ein Halt an einem der urigen Biergärten darf bei den Auszeiten am Wasser nicht fehlen, zum Beispiel am Stubenweiher in Limbach. Ihr liebster Badesee ist der Oberrieder Weiher bei Krumbach. Diese stillen, kraftvollen Orte machen für Stefanie das Leben in Bayerisch-Schwaben so besonders. Die Region steht in ihren Augen für Ehrlichkeit, Natürlichkeit und Vielseitigkeit – all das spiegelt sich auch in ihrem Alltag. Sie liebt die unverfälschten Dörfer, die kleinen Märkte, die feinen Unterschiede. Der Ökomarkt in Wettenhausen oder der Apfel- und Kartoffelmarkt an der Umweltstation mooseum in Bächingen haben es ihr angetan. „Das Schöne ist im Einfachen, im Kleinen zu finden. Bei uns haben sich alte Orte bewahrt und wurden nicht vorschnell durch etwas Neues ersetzt,“ sagt sie. Vielleicht ist das die beste Erkenntnis: Wird das Einfache ehrlich gelebt, entfaltet es eine Kraft, die nachhaltig wirkt.
„Die kraftvollen Orte machen Bayerisch-Schwaben so besonders. Die Region steht für Ehrlichkeit, Natürlichkeit und Vielseitigkeit.“
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